Wenn der Algorithmus den Schraubenzieher hält – Technikjournalismus

Verfasst von: Martin Klar
Im digitalen Alltag bestimmen Algorithmen längst, welche Technikthemen sichtbar werden – und welche nicht. Aus einst fachkundigem Journalismus ist vielerorts ein Klicklabor geworden, in dem Schlagworte wichtiger sind als Inhalte. Zwischen Akkuwarnungen, Konsolentipps und Pseudotests verschwimmt die Grenze zwischen Information und Unterhaltung. Das Kritische Auge wagt den Selbsttest und zeigt, wie sich der Technikjournalismus im Jahr 2025 verändert hat: weniger Tiefgang, mehr Tempo – und eine Branche, die Gefahr läuft, ihren eigenen Schraubenzieher aus der Hand zu geben.

Was früher ein kritischer Blick auf Techniktrends war, ist heute ein Wettbewerb um Reichweite. Viele Onlineportale produzieren täglich Dutzende Kurzartikel, die kaum mehr bieten als Produktwarnungen und Wiederholungen. Der Algorithmus entscheidet, was sichtbar wird – und der Mensch schreibt nur noch, was sich verkaufen lässt. Tiefergehende Analysen gelten als „zu komplex“, Hintergrundberichte als „zu lang“. Statt Fachwissen zu vermitteln, werden Emotionen getriggert: Angst, Staunen oder Empörung. So entsteht ein Kreislauf aus Aufmerksamkeit ohne Erkenntnis. Der Leser bleibt informiert – aber nicht gebildet. Und genau das ist das stille Scheitern des modernen Technikjournalismus.

Ich habe mir zehn aktuelle Technikartikel aus großen Onlineportalen vorgenommen – quer durch alle Themen. Das Ergebnis war ernüchternd: kaum echte Information, dafür jede Menge Wiederholungen und Schlagworte. Da wird vor heißen Konsolen gewarnt, vor Akku-Explosionen gewarnt und wieder vor Datenverlust gewarnt. Technische Zusammenhänge? Fehlanzeige. Kein Wort über Materialien, Fertigungsprozesse oder tatsächliche Ursachen. Stattdessen endlose Listen mit vermeintlichen Tipps, die längst Allgemeinwissen sind. Der Journalismus, der einst erklären wollte, ist zur digitalen Gebrauchsanweisung geworden – optimiert für Klicks, nicht für Köpfe. Und genau das macht ihn so berechenbar wie die Algorithmen, denen er dient.

Technikjournalismus steht heute exemplarisch für eine Medienlandschaft, die sich zunehmend von Inhalt zu Interaktion verschiebt. Redaktionen orientieren sich an Suchalgorithmen, Trends und Verweildauer statt an technischer Substanz oder gesellschaftlicher Bedeutung. Fachwissen wird durch schnelle Schlagzeilen ersetzt, fundierte Recherche durch automatisierte Textproduktion. Doch gerade in einer digitalisierten Welt braucht es Journalismus, der Technik erklärt, einordnet und kritisch begleitet. Die Chance liegt darin, wieder neugierig zu werden – auf Prozesse statt Produkte, auf Ursachen statt Symptome. Wenn Journalisten den Schraubenzieher wieder selbst in die Hand nehmen, könnte aus Klickmechanik wieder Aufklärung entstehen.

Der heutige Technikjournalismus leidet nicht an fehlenden Themen, sondern an fehlendem Anspruch. Zwischen SEO-Regeln, KI-generierten Texten und Agenturmeldungen bleibt kaum Raum für echte Expertise. Wer über Technik berichtet, sollte sie verstehen – und nicht bloß beschreiben. Der Algorithmus mag Klicks berechnen, aber kein Bewusstsein schaffen. Erst wenn Journalisten wieder den Mut haben, Hintergründe zu erklären statt Überschriften zu jagen, gewinnt der Leser zurück, was er verloren hat: Vertrauen. Der Schraubenzieher steht hier sinnbildlich für Handwerk, Präzision und Haltung – Eigenschaften, die Journalismus dringend wiederentdecken muss, will er mehr sein als digitaler Lärm.

Die Inhalte dieses Artikels basieren auf einer der redaktionellen Auswertungen aktueller Onlineveröffentlichungen deutscher Technikportale zwischen September und Oktober 2025. Dabei wurden Beiträge zu den Themen Konsolenüberhitzung, Akku-Sicherheit, Smartphone-Reparatur und digitale Verbrauchertipps analysiert. Ergänzende Hintergrundinformationen stammen aus Fachpublikationen des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV) sowie der Landesanstalt für Medien NRW zu den Themen Algorithmussteuerung und Online-Reichweitenmessung. Außerdem wurden Quellen aus Medienanalysen von Meedia, Übermedien und Medium Magazin berücksichtigt. Die Beobachtungen und Schlussfolgerungen stellen eine redaktionelle Eigenbewertung dar. Stand der Recherchen: Oktober 2025. Redaktion: Das Kritische Auge – Martin Klar.